Experten im Interview: Spezialenzyme für Nischenmärkte

Wie die verschiedenen Technologieeinheiten der BRAIN Biotech Gruppe dazu beitragen, Spezialenzyme zu entwickeln und auf den Markt zu bringen

Mit der 2023 erstmals kommunizierten One-BioProducts-Strategie ist BRAIN Biotech angetreten, international Marktführer in mehreren Nischenmärkten für Spezialenzyme zu werden. Was bedeutet das für die F&E-Aktivitäten am Forschungscampus in Zwingenberg – und was bedeutet das für den Produktionsstandort für Enzyme in Cardiff? Antworten im Interview mit Dr. Alexander Pelzer, VP, Head R&D BRAIN Biotech AG am Forschungscampus Zwingenberg und Dr. Andrew Ellis, VP, Fermented und Technical Director bei Biocatalysts Ltd. in Cardiff, Wales.

Alexander, du bist seit Anfang 2023 Leiter F&E bei BRAIN Biotech am Forschungscampus Zwingenberg. Was waren in der Anfangszeit deine wichtigsten Aufgaben?

Alexander Pelzer: Zu Beginn des Jahres haben wir damit begonnen, das Technologieportfolio der BRAIN Biotech noch weiter zu schärfen. Im Mittelpunkt stand dabei die Integration unseres Forschungsansatzes mit der Entwicklungs-, Skalierungs- und Produktionskompetenz unserer Tochtergesellschaften im Segment BioProducts. Unser Fokus liegt nun klar auf Enzymen, Mikroorganismen und Bioprozessen. Diese Fokussierung haben wir unter anderem vorgenommen, um unsere Forschung und Entwicklung auf das Ziel der gesamten BRAIN Biotech Gruppe auszurichten: Wir wollen ein international führendes Unternehmen für Spezialenzyme und Food Ingredients werden.

Im Zuge der Aktualisierung unseres Angebots haben wir auch unsere Dienstleistungen für Kunden im TMS-Geschäft, d. h. im Bereich maßgeschneiderter Lösungen, nochmals optimiert. Bei der Entdeckung und Entwicklung von Enzymen erwartet die Industrie von uns modernste Lösungen – dasselbe gilt für das Entwickeln und Optimieren von Produktionsstämmen sowie für die Etablierung von Produktionsprozessen mit hoher Ausbeute. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Weg gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der BRAIN Biotech Gruppe eingeschlagen haben; und ich freue mich, dass wir jetzt mit Andrew Ellis von Biocatalysts Ltd. eng an den Schnittstellen von F&E und Produktion zusammenarbeiten.

Andrew, seit Juni 2023 bist du bei Biocatalysts für die technischen und betrieblichen Aspekte von Fermentationen verantwortlich. Was genau beinhaltet dieser Job?

Andrew Ellis: Meine Rolle bei Biocatalysts Ltd. hat sich vom Management und der Leitung der rein technischen Funktionen – Entwicklung neuer Enzymprodukte und Einhaltung von Vorschriften – auf alle Fermentationsvorgänge ausgeweitet. Meine Aufgabe ist es, die Umsetzung und kontinuierliche Verbesserung unserer Geschäftseinheit Fermentation zu leiten und unsere Fermentationsstrategie kontinuierlich zu entwickeln. Diese besondere Rolle ermöglicht es mir, mit äußerst fähigen und sehr engagierten Teams aus Wissenschaftler:innen, Techniker:innen, Ingenieur:innen und Expert:innen für Regulierung und Compliance zusammenzuarbeiten – mit Verantwortung von der frühen Phase der Enzymentwicklung bis hin zur großtechnischen Herstellung von Enzymen.

Von unseren Verkaufsteams erfahren wir stets von interessanten Möglichkeiten zur Entwicklung und Herstellung einer Vielzahl unterschiedlicher Enzyme für die Lebensmittel-, Feinchemie- und Life-Science-Märkte.

Die F&E-Kapazitäten in Zwingenberg sind ein Powerhouse für Enzymidentifizierung und Protein-Engineering. Hinzu kommt eine beeindruckende Expertise im Stammdesign und in der Entwicklung von Fermentationsprozessen!

Andrew Ellis - VP, Fermented und Technical Director bei Biocatalysts Ltd. in Cardiff

In der zweiten Jahreshälfte des vergangenen Jahres haben Alexander Pelzer und ich uns mit unseren Teams darauf konzentriert, die Synergien zwischen BRAIN Biotech in Zwingenberg und Biocatalysts Ltd. weiter zu nutzen. Die F&E-Kapazitäten in Zwingenberg sind ein Powerhouse für Enzymidentifizierung und Protein-Engineering! Hinzu kommt eine beeindruckende Expertise im Stammdesign und in der Entwicklung von Fermentationsprozessen. In dieser kurzen Zeit haben wir gemeinsam neue Stämme entwickelt und mehrere neue Enzymkandidaten identifiziert. Zudem haben wir viele bewährte Verfahren für Labor- und Betriebsabläufe ausgetauscht. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung der gemeinsamen „BRAIN-Biotech-Zwingenberg / Biocatalysts-Reise“.

Als Spezialist für Industrielle Biotechnologie bietet die BRAIN Biotech Group Spezialenzyme und Lösungen für biobasierte Produkte für die B2B-Industrie an. Was versteht man unter einem solchen Spezialenzym?

Alexander Pelzer: Enzyme werden als Spezialenzyme bezeichnet, wenn sie für die Bedürfnisse einer bestimmten Anwendung gezielt entwickelt worden sind. Darüber hinaus sind Spezialenzyme in erster Linie für Nischenmärkte bestimmt.

Unser Fachwissen in den Bereichen Enzymidentifizierung und Protein-Engineering spielt bei der Entwicklung solcher Enzyme eine wichtige Rolle. Wir können Enzyme für eine bestimmte Anwendung maßschneidern und durch die strategisch abgestimmte Interaktion zwischen BRAIN Biotech Zwingenberg und Biocatalysts Ltd. sind wir in der Lage, diese Spezialenzyme zügig hin zur Marktreife zu entwickeln.

Bei Biocatalysts Ltd. konzentriert sich das Fachwissen auf die Entwicklung effizienter Fermentationsprozesse zur Herstellung neuer Enzyme. Zudem profitieren wir vom umfassenden Wissen über die Märkte für Spezialenzyme und Enzymanwendungen für verschiedene Nischen. Diese Herstellungs- und Anwendungsexpertise ergänzt perfekt die Kompetenzen der Enzym- und Stammplattform in Zwingenberg.

Welche Rolle spielen die Tech-Einheiten in Zwingenberg und Cardiff bei der Entwicklung, Produktion und Markteinführung dieser Enzyme?

Alexander Pelzer: In unserem F&E-Campus in Zwingenberg, Deutschland, konzentrieren wir uns auf die Entdeckung und Entwicklung von Enzymen. Neuartige Enzyme können in unserer großen digitalen Sequenzdatenbank identifiziert werden: Diese besteht aus proprietären digitalen metagenomischen und mikrobiellen Daten und steht für die sequenzbasierte Identifizierung zur Verfügung.

Wir können neue Enzyme auch durch das sogenannte aktivitätsbasierte Screening mit Hilfe des BRAIN Bioarchivs, einer proprietären Sammlung von Mikroorganismenstämmen, als Ressource erschließen.

Das beste Enzym ist für uns wertlos, wenn wir es nicht herstellen können. Daher testen wir dies frühzeitig, um das Risiko in der Entwicklungsphase zu verringern...

Alexander Pelzer - VP, Head R&D BRAIN Biotech AG am Forschungscampus Zwingenberg

Wenn die entdeckten Enzyme nicht perfekt zur Anwendung passen, nutzen wir rationales Protein-Engineering, um diese Enzyme auf die Anwendung zuzuschneiden. Danach folgt ein wesentlicher, sehr wichtiger Schritt: Wir produzieren diese Enzyme in unseren mikrobiellen Plattformstämmen, um ihre Produzierbarkeit zu analysieren. Das beste Enzym ist für uns wertlos, wenn wir es nicht herstellen können. Daher testen wir dies frühzeitig, um das Risiko in der Entwicklungsphase zu verringern, da wir schließlich eine industrielle Anwendung unserer Enzyme anstreben.

Wir entwickeln dann die Produktionsstämme und den Bioprozess - bis hin zum vorindustriellen Maßstab. Wenn sich das Verfahren hier bewährt, geben wir die Technologie und das damit verbundene Wissen an unsere Kollegen in Cardiff zur Skalierung weiter.

Andrew, was passiert dann in Cardiff?

Andrew Ellis: Sobald BRAIN Biotech ein vorindustrielles Enzym entwickelt hat, beginnen wir mit dem Technologietransfer zu Biocatalysts Ltd. Dies erfordert eine Teamarbeit auf Augenhöhe, um sicherzustellen, dass die Skalierung des Prozesses die entsprechenden kommerziellen Parameter erfüllt.

Der Technologietransfer stellt im Wesentlichen diese vier Punkte sicher: dass das fertige Enzymprodukt wirtschaftlich tragfähig ist; dass es den gesetzlichen Vorschriften und Qualitätsanforderungen entspricht; dass betrieblich nachhaltig ist und dass es die Bedürfnisse der Kunden übertrifft.

In der Praxis werden alle vorgenannten Überlegungen frühzeitig erörtert und in die F&E-Phasen in Zwingenberg integriert, um einen erfolgreichen Transfer zu gewährleisten.

Entsprechend der bedeutenden Rolle, die Biocatalysts im zukünftigen Produktgeschäft spielt: Welche weiteren Entwicklungen wird es bei Biocatalysts Ltd. geben, um die Fermentationen weiter zu verbessern bzw. das Enzymgeschäft zu steigern?

Andrew Ellis: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir an allen vier Standorten der Biocatalysts Ltd. unglaublich talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt haben. Unser Erfolg war und ist das Ergebnis der Zusammenarbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Umsetzung unserer Geschäftsstrategie. Die Bindung und Rekrutierung von Mitarbeitern spielt dabei eine wichtige Rolle.

Darüber hinaus werden wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin fördern, um unsere technischen, betrieblichen und kommerziellen Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Der Technologietransfer stellt im Wesentlichen sicher, dass das fertige Enzymprodukt wirtschaftlich tragfähig ist, ... und die Bedürfnisse der Kunden übertrifft.

Andrew Ellis - Biocatalysts Ltd

Was macht den Standort in Cardiff zu einem ganz besonderen Ort für die Herstellung von Enzymen?

Andrew Ellis: Was uns ausmacht, ist sind unsere hochflexiblen Fermentationsmöglichkeiten: Wir sind in der Lage schnell auf neue Anforderungen für die Spezialenzymproduktion zu reagieren und neue Prozesse bis hin zur kommerziellen Bereitstellung zu marktgerechten Kosten effizient zu implementieren. Dabei profitieren wir von unserem breiten Wissen über das Skalieren von Fermentationsprozessen und unsere Kompetenzen im Downstream-Processing. Wir konzentrieren uns auf eine schnelle Skalierung des Prozesses bis hin zur kommerziellen Bereitstellung zu marktgerechten Kosten.

Wir entwickeln Fermentationsprozesse zur Enzymherstellung mit präziser Skalierbarkeit – von 250 Millilitern Fermentationsvolumen bis hin zu 5, 50, 750, 10.000, 17.000 und 50.000 Litern – sowie mit einer Vielzahl verschiedener Stämme und umfangreichen Herstellungsprotokollen zu entwickeln. Wir konzentrieren uns darauf, unseren Kunden Lösungen für Spezialenzyme anzubieten, die auf Funktion, Qualität und Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sowie erforderlichen Betriebskosten ausgerichtet sind.

Bei Biocatalysts Ltd. sind wir ein wenig anders, aber auf eine gute Art und Weise, denn wir sind sehr flexibel und setzen unsere Fähigkeiten effizient ein!

Kreativität ist eine unserer Stärken – Methoden aus verschiedenen Technologiebereichen zu kombinieren und neue Lösungen für ein bestimmtes Problem zu entwickeln.

Alexander Pelzer - BRAIN Biotech AG

Gemäß der One-BioProducts-Strategie ist der Forschungscampus von BRAIN Biotech in Zwingenberg zum Innovationsmotor des Konzerns geworden. Was bedeutet das?

Alexander Pelzer: Wie bereits erwähnt, beziehen sich die F&E-Aktivitäten nicht nur auf das Produktgeschäft der Gruppe, sondern auch auf die kundenspezifischen Lösungen, die wir für verschiedene Branchen anbieten. Unsere Strategie ist es, sowohl für unsere eigenen Entwicklungsprojekte als auch für Kundenprojekte modernste technologische Lösungen bereitzustellen. Wir entwickeln unsere eigenen technologischen Werkzeuge, wie z.B. Methoden des Protein-Engineerings oder Nukleasen für das Genome-Editing, und kombinieren sie mit den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen – beispielsweise mit den großen Fortschritten in der Informatik, einschließlich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz.

Kreativität ist eine unserer Stärken – Methoden aus verschiedenen Technologiebereichen zu kombinieren und neue Lösungen für ein bestimmtes Problem zu entwickeln. Das ist in der Tat eine unserer wichtigsten Triebfedern: Eine industrielle Herausforderung mit Hilfe der Biotechnologie zu lösen.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Alexander Pelzer: Ein wichtiges Thema innerhalb der BRAIN Biotech Gruppe ist die Weiterentwicklung unserer mikrobiellen Produktionsplattformen für die Herstellung von Spezialenzymen. Dazu gehört beispielsweise der Verzicht auf Antibiotika als Selektionsmarker. Darüber hinaus optimieren wir gemeinsam unsere Stämme, die Fermentations- und Downstream-Prozesse hinsichtlich der Produktionsausbeute. Hier profitieren wir sehr von den Erfahrungen der Biocatalysts Ltd. in der kommerziellen Enzymherstellung und sind dankbar für deren Expertise.

Diese Optimierungen werden dann an einer Reihe vielversprechender Spezialenzym-Kandidaten durchgeführt, die wir gemeinsam mit Biocatalysts Ltd. identifiziert haben und zur Marktreife entwickeln wollen.

Schließlich haben wir unsere Kräfte in der Enzymidentifizierung gebündelt: Die Kombination der MetXtra Discovery Plattform von Biocatalysts Ltd. mit der großen proprietären digitalen Datenbank der BRAIN Biotech AG ist ein großer Schritt vorwärts in unserer Enzymidentifizierung. Damit können wir nun eine noch bessere Lösung zur Entdeckung von Enzymen anbieten. Hierbei beschleunigen der Einsatz von Bioinformatik, Machine Learning und künstlicher Intelligenz unser Entwicklungszeiten.

Danke euch beiden für die Beantwortung der Fragen.

Die Fragen stellte Dr. Stephanie Konle, BRAIN Biotech AG